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Genevieve Capet - Druckversion

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Genevieve Capet - Genevieve Capet - 04.11.2021

01.01.1945
"Papan?" Wisperte das junge Mädchen am Krankenbett ihres Vaters. Jerôme Capet war drei Tage lang verschollen gewesen, beinah hätte man die Hoffnung aufgegeben, den Guérisseur Combat und sein Team für tot erklärt. Solche Dinge geschahen in diesen Tagen viel zu oft. Grindelwald zu bekämpfen fühlte sich für die Franzosen an, als reite man gegen Windmühlen an. Aber dann hatte man ihn unter den Trümmern der Markthalle gefunden. Lebend! Und nicht nur ihn, sondern auch drei Auroren, die er bis zuletzt mit seinem Schild, seiner letzten Kraft, vor den schweren Trümmern beschützt hatte.
Deswegen lagen vor seinem Krankenzimmer Genesungskarten, Blumensträuße. Weil er diesem Land kurz nach Neujahr Hoffnung gab, ihnen ein Leitstern war.
Viv war das egal. Papan sah nicht gut aus, so blass. Und sein Gesicht... sie stand jetzt rechts, aber auch von hier konnte sie erahnen, wie zerklüftet die linke Hälfte seines Gesichts nun war. Verbrannt. Er hatte sich nicht rechtzeitig geschützt, geheilt, hatte stattdessen seinen Kameraden das Leben bewahrt. Die waren nun schon alle entlassen, aber Maman überbrachte auch von ihnen Genesungswünsche. Jedes Mal wenn Viv zu ihr sah, konnte sie die Tränen in ihren Augen sehen. Es war knapp gewesen. Und kein Ende des Krieges in Sicht. Und Papan antwortete nicht. Schlief. Würde noch tagelang schlafen, hatten die Heiler gesagt. Weil er alles gegeben hatte. Weil er dem Tod gerade noch so von der Schippe gesprungen war. Tapferer Papan!

30.08.1953
Maman und Papan brachten sie persönlich nach Beauxbatons. Voller Faszination hatte die junge Hexe aus dem Fenster des Kutschenverschlags geblickt, erst nichts als die Wolken unter sich und schließlich die rießige Parkanlage rund um das Château gesichtet. Das Schloß selbst, mit seinen hellen Mauern und dunklem Dach, erschien Genevieve schließlich wie aus einem der Märchen entstiegen, die Maman ihr so gerne vor dem Schlafengehen vorlas. "Maman, papan! Da unten! Wir sind gleich da!" Aufgeregt blickte sie hinaus, unter dem liebevollen Lachen der Mutter die Nase an die Scheibe gedrückt und sah das Spielzeughaft kleine Schloß näher und näher kommen. Der Kutscher zügelte die Pegasi, leitete den Landeflug ein und nutzte den angrenzenden Fluss für eine sanfte Wasserlandung. Trockenen Fußes gelangte die Familie an Land, nutzte eine silberne Brücke, die Vater mit einem Wink aus seinem Zauberstab erschuf. Die Füße der Pegasi standen nun Fesseltief im Wasser, während die Tiere begierig tranken. Es war ein weiter Flug gewesen. "Au revoir, Gustave!" Sie winkte dem Kutscher, der Papan überall hin brachte, auch jetzt, wo er nicht im Dienst war, sich extra für ihre Einschulung freigenommen hatte. In den Krieg zog Jerôme Capet heute nicht mehr, aber leitete die Ausbildung seiner Spezialeinheit an. Guérisseuse Combat - das würde auch sie eines Tages werden wollen. In Vaters große Fußstapfen treten.

11.03.1955
"Merde alors!" Fluchte Genevieve leise, als ihr Zaubertrank ein sattes Grün annahm und dann einfach verpuffte. Was hatte sie jetzt schon wieder falsch gemacht? Blau sollte er werden, blau wie der Himmel! Und nicht so nach Schwefel riechen, sondern eher nach verbranntem Horn. Die Schülerin fing sich einen scharfen Blick ihrer Lehrerin, ein, gehörte es sich für eine junge Dame doch auf keinen Fall zu schimpfen! Manchmal musste sie dem Ärger in sich aber Luft machen, gerade dann, wenn alles schief lief. Oh wie freute sie sich darauf, wenn sie Zaubertränke eines Tages an den Nagel hängen dürfte! Sehr viel lieber übte sie Zauber, oder ging im Wald spazieren, auf der Suche nach den Kräutern, die sie für den Kräuterkundeunterricht finden sollte. Selbst tanzen tat sie lieber, das sie in diesem Jahr alle hatten erlernen müssen! Immerhin sollten aus ihnen gesellschaftsfähige junge Hexen und Zauberer werden.
Hochkonzentriert und dennoch mit zu grob geschnittenen Salamanderschwänzen ausgestattet machte Viv sich erneut ans Werk.

24.06.1960
Ihre Wangen hatten sich leicht rosa verfärbt, als die Schulleiterin ihr den Mantel des Illusionswebers umegelegte. Es war eine rießige Ehre, die ihr da zuteil wurde und mehr als bloße Auszeichnung ihres schulischen Könnens. Bewunderung wie Neid gleichermaßen lag in der Luft, als Genevieve ihr Abschlusszeugnis entgegennahm und knickste, sich artig für die Lehren an Beauxbatons bedankte.
Geschafft. Sie war frei, hatte die Schule abgeschlossen!
Jedes Jahr hatte sich ein anderer Turm der Schule mit Erstklässlern gefüllt und jedes Jahr hatte sich ein Turm am Ende des Schuljahres geleert, hatte sich von seinen Absolventen verabschiedet. Für immer würde Genevieve mit den anderen ihres Jahrgangs verbunden sein, geprägt von gemeinsamen Erinnerungen, Triumpfen und Niederlagen. So wie erst vor drei Monaten, als sie gemeinsam mit sieben weiteren Mitschülern die Aufnahmetests des Ministeriums bestanden hatte. Schon jetzt hatte sie ihren Ausbilungsvertrag als Guérisseuse Combat in der Tasche - auch wenn Papan sie nicht mehr persönlich ausbilden würde. Er war letztes Jahr in den Ruhestand gegangen.
Dankbar war sie. Vor allen Dingen dafür, die Chance bekommen zu haben bereits in den letzten zwei Jahren in eben jenen Berufszweig hineinzuschnuppern, den sie beschreiten wollte. Die Praktika im Sommer waren aber der fünften Klasse Pflicht und halfen sehr dabei, sich für einen Beruf zu entscheiden. Wo es für Genevieve immer nur diesen einen Traumberuf gegeben hatte, hatten andere Mitschüler jeden Sommer woanders geschnuppert und machten zum Teil auch jetzt noch Praktika in weiteren Berufsfeldern, bevor sie sich endgültig auf eine Ausbildung bewerben würden. Das war eine gute Sache. Ausloten zu können, was einem wirklich lag. Ein Segen für sie, dass Papans ehemalige Arbeitskollegen, ehemaligen Schüler sie mit großer Begeisterung unter sich aufnehmen wollten.
Sie hatte noch viel zu lernen. Nicht nur weitere Schutzzauber, Strategien, sondern auch Sprachen! Wenn es Personen zu schützen galt, musste man sich mit ihnen verständigen können. In einem Land wie Frankreich waren dazu Englisch, Deutsch und Spanisch Pflicht. Dass sie in ihrer Ausbildung sogar mit Meermännisch in Kontakt kommen würde, damit rechnete sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht!

14.02.1964
Ihr dritter Einsatz und es flogen die Fetzen. Die beiden Ziele erwehrten sich der Festnahme mit allen Mitteln und zu allem Überfluss hatten sie ihr Kind - ein kleines Mädchen - mit auf das Schlachtfeld gebracht. Ein Auror war bereits gefallen, gehörte aber glücklicherweiße nicht Genevieves Einheit an, als ihr das Kind geradezu in die Arme lief. Sich den Rotz in den Ärmel schmierte und darauf insistierte jetzt zu seiner Maman zu wollen...
... das war nun drei Wochen her. Die Eltern der Kleinen waren bereits schuldig gesprochen, würden 15, beziehungsweiße 30 Jahre hinter Gittern verschwinden, wenn sie keinen Hafterlass genießen würden. Das alles hatte Genevieve nicht so sehr interessiert wie die Verhandlung, wegen der sie gerade schwitzige Hände bekam.
Das Mädchen. Mailys Eloise Comtois, das war ihr Name. Sie hatte ihn erst erfahren, als sie das Kind nach stundenlangem in Schutz nehmen bei der Jugendfürsorge des Ministeriums abgegeben hatte. Ehrlich gesagt widerstrebend. Am liebsten hätte sie die Kleine bereits an diesem Abend mit nach Hause genommen, ihr etwas ordentliches zu essen gegeben, sie in den Arm genommen. Das brauchte sie doch jetzt!
Stattdessen hatte sie die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erwogen, mit ihrem Vater, ihrer Mutter geredet. Und hatte dann ganz offiziell beantragt als Ziehmutter fungieren zu dürfen. Die Fürsorge zu erhalten.
Gegen sie sprach, dass sie so jung war. 22 Jahre, gerade einmal fertig mit der Ausbildung. Dass sie keinen Mann hatte und einen nicht gerade ungefährlichen Beruf ausübte.
Doch es gab durchaus Dinge, die auf ihrer Seite standen. Dass sie eine Capet war. Hoch geachtet, gut mit den Fußstapfen zurechtkommend, die ihr Vater hinterlassen hatte. Dass es ihre eigenen Eltern waren, die mit ihr hier im Verhandlungssaal saßen. Ihr den Rücken stärkten und sie darin beraten konnten eine gute Mutter zu sein. Dass sie dieses Kind haben wollte. Nicht weil sie musste, weil es Geld dafür gab Pflegemutter zu sein. Sondern weil ihr Herz sich diesem kleinen Mädchen geöffnet hatte und ihm ein zuhause geben wollte.
"Dieu merci!" Seufzte sie auf, als das Urteil gefällt wurde. Ab sofort würde sie sich um Mailys kümmern. Und als erstes dafür sorgen, dass es in ihrem Appartement ein gut eingerichtetes Kinderzimmer gab.


03.09.1971
Sie hatte Mailyn ebenso zur Schule gebracht, wie auch sie einst eingeschult worden war. Nicht gemeinsam mit den anderen anreisend, sondern die intime Atmosphäre einer Kutsche genießend, die Schule zum ersten Mal von ganz weit oben betrachtend. Sie hatte ihre Kleine an sich gedrückt und vielleicht war da auch eine kleine Träne ihre Wange hinuntergekullert, als sie daran gedacht hatte, dass sich ihre Wege nun zum allerersten Mal für einen längeren Zeitraum trennen würden. Beauxbatons. Ort ihrer strebsamen, schönen Kindheit. Sie wusste ihre Tochter in guten Händen, während sie selbst Einsatz um Einsatz annehmen würde. Sich in die Arbeit vertiefen, um in den Ferien Urlaub nehmen zu können, für ihren kleinen Schatz frei haben zu können.
Zwischen Mailys und sie passte kein Blatt Papier. Niemand kam an Genevieve heran, denn die Französin hatte gewählt und sich für die Mutterschaft entschieden. Das Wohl ihres Kindes als Zentrum ihres Universums. Als etwas, woran sie sich festhalten konnte, wenn die Stunden auf der Arbeit besonders dunkel waren. Wenn das Gefühl aufkam, sie müsse den Glauben an die Menschheit verlieren. Nein. Denn die Welt sollte schön sein, hell, Mailys auf ihre schönste Art und jeden Tag aufs Neue willkommen heißen!
So fühlte es sich an Mutter zu sein. Bittersüß. Den Augenblick genießen und wehmütig in die Zukunft blicken.
"Ma cherie, ich schicke dir jeden Tag einen Brief." Versicherte Viv ihrem Schatz leise, zärtlich, während sie durch das goldene Haar strich. "Und denk daran: Wenn Mme Bouvouard harsch wird, dann setze dein schönstes Lächeln auf. Sie kann dem nicht widerstehen, konnte sie nie!" Es tat gut, ihrer Tochter Tipps mit auf den Weg geben zu können. Macken der Lehrer, schöne Orte, lustige Anekdoten. Es hatte nicht nur die Zeit des Fluges vertrieben, sondern auch Nähe geknüpft. Sie würde immer da sein, auch wenn ihr Körper weit weg weilte. Mailyn würde hier sicher sein. Ihren Weg gehen.

03.03.1976
Leiterin der Strafverfolgungsabteilung.
Dieser Titel schwebte in Genevieves Kopf, während sie in der Küche ihrer Eltern saß, Kaffee trank und dazu ein Croissant verspeißte. Das Für und Wider, das Angebot ihres Chefs betreffend, wurde an diesem Tage bereits seit Stunden debattiert. Genevieve wollte eigentlich nicht fort. Nicht fort aus Frankreich! Sie fühlte sich hier wohl, kam gut mit den Kollegen zurecht, genoss Ansehen und konnte jederzeit auf einen Kaffee bei ihren Eltern vorbeisehen. Mailys ging hier zur Schule.

Mailys war auch der Grund, weswegen Genevieve das Angebot doch gut fand. Sie hatte gehört, dass ihre leibliche Mutter im kommenden Jahr entlassen werden würde. Vorzeitig. Gute Führung. Und eigentlich hätte sie sich für ihren kleinen Schatz freuen sollen, bekam sie doch ihre Mutter zurück, die sie damals am Schlachtfeld so verzweifelt gesucht hatte.
Doch Genevieve konnte nicht. Mailys war mehr und mehr zu ihrer Tochter geworden. Sie hatte das erste magische Erlebnis ihrer Tochter miterlebt! Sie hatte ihr Lesen und Schreiben beigebracht! Sie hatte sie eingeschult, war immer für sie da gewesen. Sie war so viel mehr Mutter als diese Fremde.
Es war unfair, Viv war sich dessen bewusst. Und konnte doch nicht gegen die Muttergefühle an.

Beobachterin sein in Großbritannien... das bedeutete, eventuell einem höheren Risiko ausgesetzt zu sein, würde sie doch kein Team an der Hand haben. Sie wäre ein niemand, ohne Familie. Freunde gab es tatsächlich ein paar, wäre sie doch nicht die einzige Französin auf britischen Boden. Beobachterin zu sein würde auch bedeuten Mailys mitzunehmen, sie in Hogwarts unterzubringen. Die Zaubererschule genoss einen exzellenten Ruf, bei einem Schulleiter wie Albus Dumbledore auch kein Wunder! Aber sie würde ihre Kleine ihren Freunden, ihrem vertrauten Umfeld entreißen.
Doch... vielleicht gäbe es keine Einreisebewilligung für Mailys Mutter? Keine Einreise für Verbrecher? Ohh, die Hoffnung keimte auf! Wenn Mailys doch nur alt genug wäre für sich selbst entscheiden zu können! Es ging Genevieve ja nicht einmal so sehr darum die Macht über das Kind zu behalten! Es ging darum, dass sie dieser Fremden nicht traute. Mailys ihr aber ausgeliefert sein würde, bis sie erwachsen war. Und das wollte sie ihrer Tochter nicht antun. Niemals.

Helene beschwichtigte sie. Dass Mailys jung sei, neugierig, sie das schaffen würde. Dass der Tapetenwechsel auch ihr, Genevieve gut tun würde! Viel zu sehr würde sie sich in ihrer Arbeit vergraben! Maman hoffte ja ohnehin, dass sie einfach die Füße hochlegen würde, sich endlich einen Mann an ihrer Seite suchen würde. Erhalt der Familie und so weiter. Aber Mailys war wichtiger, viel wichtiger als an eine eigene Familiengründung zu denken.
Der Tapetenwechsel würde ihr vielleicht aber tatsächlich gut tun. Verantwortung übernehmen. In weitere Fußstapfen treten, ihrer Schweizer Vorfahren diesmal.
Und dann, wenn sie zurückbeordert werden würde... in zwei oder drei Jahren... Leiterin der Strafverfolgung werden. Aufsteigen. Fort vom Schlachtgetümmel und dennoch an vorderster Front um Menschen zu helfen. Die Augen ihres Vaters füllten sich bei dieser Vorstellung schon jetzt mit Stolz.

Großbritannien also. Sie würde sich einen Regenschirm kaufen müssen.