BOUNDARIES & BROOMSTICKS
Regulus Black - Druckversion

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Regulus Black - Regulus Black - 25.10.2021

DER ANFANG VOM ENDE
Mein Leben begann, wie das eines jeden Menschen wohl damit, dass ich als plärrender kleiner Säugling die Nächte meiner Eltern „versüßte“ - allerdings war ich dabei noch ein weitaus ruhigeres Kind als mein mittlerweile ein Jahr alter Bruder. Geboren wurde ich in London, Grimmauldplace, man kann schließlich nicht erwarten, dass meine Mutter sich in die Obhut von womöglichen unreinen Blutes begeben hätte.
Meine Kleinkindzeit verlief tatsächlich auch recht unspektakulär. Kleine Kinder haben es allgemein sehr einfach, sie kennen nur die kleine Welt, in die sie hineingeboren werden und fragen sich nicht einmal, was sie anders machen könnten. Sie leben schlichtweg ein Leben ohne Sorgen.
Meine ersten richtigen Erinnerungen setzen ungefähr im Alter von fünf Jahren ein. Ich weiß noch, dass mein Lieblingshauself – ich hatte schon immer einen Narren an diesen Geschöpfen gefressen – verschwunden war und ich ihn im ganzen Haus suchte… bis ich seinen Kopf auf der Flurwand aufgenagelt fand. Das war das erste Mal, dass ich mit Tod (und nebenbei fraglichen Beerdigungsmethoden) konfrontiert wurde. Ich begann immer nur möglichst schnell durchs Treppenhaus zu huschen, um nicht mehr mit „Gopher“ konfrontiert zu werden. Meinen Eltern war dieses Verhalten ziemlich egal, Hauptsache Sirius blieb normal, denn immerhin war er der Wichtigere von uns beiden.

So etwas wie Benimmunterricht bekam ich zum ersten Mal, als ich meinen 6. Geburtstag feierte. Brav machte ich mit, diese Prozedur kannte ich auch schon von meinem Bruder. Sirius stand damals schon so ziemlich im Mittelpunkt meines jungen Lebens, denn ich kannte kaum Kinder außer ihm. Mit den Muggeln in der Nachbarschaft hätten wir niemals spielen dürfen und besonders oft kamen keine Besucher mit Familienanhang vorbei, außer natürlich Onkel und Tante, die allerdings nur Mädchen hatten... und Mädchen? Die waren damals doch noch eine ganz andere Welt! Wenn Besuch da war, saß ich meistens doch bei den Erwachsenen und versuchte mir richtiges Verhalten einzuprägen. Meinen Eltern zu gefallen war eine der größten Herausforderungen damals, der ich mich mit Leidenschaft widmete. Ich wollte, dass jemand sagen würde er sei stolz auf mich. Mit sieben begann ich das Violinenspiel auf Bestreben Mutters und auch wenn es mir anfangs keinerlei Freude bereitete, lernte ich es als Ventil für aufgestaute Emotionen zu benutzen. Grundsätzlich fühlte ich immer zu viel.

Das verscherzte ich mir aber sicher wieder damit, dass ich oft mit Sirius Unsinn baute.
Als wir Kinder waren, spielten wir viel zusammen. Und wenn mich des nächtens Albträume plagten, schlich ich mich zu ihm hinüber, um mich mit in sein Bett zu kuscheln. Sirius konnte mich vor all den Schatten beschützen! Damals ahnte ich noch nicht, dass die Schatten tatsächlich... lebendig waren.

Es dauerte bei mir viel länger als bei meinem älteren Bruder, bis ich irgendein Anzeichen von Magie zeigte. So lange, dass unsere Eltern mich schon beinah argwöhnisch beäugten, wenn wir gemeinsam am Tisch saßen. Sie fürchteten ziemlich offensichtlich, dass ich mich als Squib entpuppen könnte. Ich war 9 Jahre alt, als es endlich passierte und es hatte, sehr zum Missfallen Vaters, mit einem Hauselfen zu tun. Dabei hatte ich doch einfach nicht auf meine Füße geachtet, war zu sehr von meinen Tagträumereien abgelenkt gewesen und hatte den armen Kerl dabei die Treppe hinuntergestoßen! Dass er dann aber nicht unsanft aufprallte lag daran, dass er sanft zu Boden schwebte. Ich - die Hand noch immer vor Schreck erhoben - bemerkte erstmal gar nicht was ich da getan hatte. Bis mir so unsanft, aber stolz, auf den Rücken geklopft wurde, dass mir die Luft weg blieb.
Weitere magische Ausbrüche ließen nicht lange auf sich warten, die einprägsamste Erinnerung meiner Mutter dürfte aber jener Abend sein, an dem sie eine Gesellschaft eingeladen hatte und ihre Freundinnen sich spaßeshalber im Wahrsagen übten. Wie putzig es doch war den kleinen Jungen die Hände "lesen" zu lassen! Karten austeilen zu lassen! Nunja, jedenfalls bis zu dem Augenblick in dem ich mit bestimmter Stimme erklärte, dass Miss Cassiopeia der Grimm erwarten würde. War klar, dass ich daraufhin ins Bett geschickt wurde, ohne Abendessen. War auch klar, dass Mutter leichenblass war, als ihre Freundin Tage später an den Drachenpocken erkrankte und starb. Ich verstand damals noch nicht so ganz was es bedeutete, diese Gabe. Heute ist sie mir eher Fluch als Segen.

Richtige Trauer erfuhr ich zum ersten Mal in meinem 10. Lebensjahr. Damals wurde Sirius eingeschult und ich blieb alleine zurück. Am Bahnsteig hatte ich ihn nochmal umarmt, ihm das Versprechen abgerungen mir zu schreiben. Täglich! Es waren wohl auch ein paar Tränen geflossen, jedenfalls gab es kein Mittagessen für mich, weil ich eine Schande für die Familie dargestellt hatte.
Die einsamen Tage nach seiner Abreise waren so ziemlich das Schlimmste, das mir passieren sollte (dachte ich damals)… aber da war noch nicht die Nachricht von Sirius Hauseinteilung angekommen.

Die lange Zeit, die mir zwischen Benimmunterricht, Essen und Schlafen gehen blieb, nutzte ich jedoch damals schon zum Lesen. Vater hatte eine beachtliche Büchersammlung, die ich nun Buch für Buch verschlang. Selbstverständlich waren diese Bücher ziemlich einschlägig, was die Auffassung der Magierwelt betraf und ich entwickelte selbstredend den Standpunkt, den Vater und Mutter so schätzten. Es gab nichts, was „Schlammblüter“ hier in der Zauberergesellschaft zu suchen hatten. Zudem begann ich eine Sammlung anzulegen. Ich sammelte Zeitungsausschnitte, die mir verdächtig nach schwarzer Magie aussahen, denn ich wollte mich auskennen, um an Tischgesprächen teilhaben können. Nachdem mein Bruder nicht da war, heftete ich mich mehr an meine Eltern, was mich nachhaltig beeinflusste. Ich erschrak, als ich aus nächster Nähe mitbekam, wie sehr sie sich über Sirius‘ Einteilung ärgerten – vor allem vor Mutter bekam ich damals einen gehörigen Respekt, wenn nicht zu sagen Angst... es wirkte ja fast, als würde sie ihren Ältesten umbringen wollen! Was würde geschehen, wenn auch ich nicht nach Slytherin eingeteilt werden würde? Wenn ich nach Hufflepuff… nein, viel schlimmer noch, Gryffindor eingeteilt werden würde? Ich hatte die Blacks zwar nicht zu repräsentieren – aber würde man eine zweite Schmach einfach so hinnehmen? Ich begann mich noch intensiver mit den Gesprächsthemen meiner Eltern auseinanderzusetzen und mir möglichst viel ihrer Einstellungen einzuprägen.
Nicht, dass mir das viel brachte. Ich lernte, dass unsere Eltern ganz speziell reagierten, wenn sie Angst hatten. Sie stellte alles in Frage. Natürlich auch sich selbst, was sie falsch gemacht hatten mit Sirius. Sie waren wohl zu weich gewesen, zu nachgiebig. Sie würden es nun besser machen.
Ich erinnere mich an viele Abende im dunklen, nasskalten Keller - wenn ich etwas getan hatte, das nicht ganz ihren Vorstellungen entsprochen hatte. Ich erinnerte mich daran wie ich weinte, schrie, mit den Fäusten gegen die Tür hämmerte und schließlich einfach in mich zusammensank und mich meinem Schicksal ergab. Ich erinnere mich daran, dass Vater zum ersten Mal damit begann, mit Magie zu strafen. Keine verbotenen Flüche, natürlich nicht, aber man kann sich gar nicht vorstellen was man alles mit nicht verbotenenen Flüchen anstellen kann. Ich war zu weich. Weichheit musste therapiert werden. Ich war nicht genug und musste härter an mir arbeiten und Salazar - ich verinnerliche diese Lektion.

Als Sirius in den Weihnachtsferien nach Hause kam, hatte sich einiges geändert.
Zum einen war er nun nicht mehr unbedingt der Lieblingssohn… wenn es so was überhaupt gab. Unsere Eltern glaubten Hopfen und Malz wohl noch nicht verloren, denn so hart wie sie mit ihm ins Gericht gingen, konnte es doch nur sein, wenn sie an eine Besserung glaubten? Wobei man einen Häuserwechsel ja schon mal ausschließen konnte. Ich traute mich gar nicht, bei Tisch mit ihm zu reden.
Erst am Abend, als Ruhe ins Haus eingekehrt war, klopfte ich zögerlich an seine Zimmertür, die doch eigentlich so nah an meiner war. Ich weiß nicht, was er damals von mir hielt, aber zumindest ich wollte noch gern mit ihm reden, wenn wir nicht gerade zusammen gesehen wurden. Ich befürchtete, unsere Eltern könnten ansonsten annehmen, dass wir uns gegen sie verbündeten. Das hätte mehr als bloß ein blaues Auge gegeben, mehr Abende im Keller, mehr Flüche. Nicht, dass ich ihm davon erzählt hätte. Ich erzählte ihm davon, dass ich zu malen begonnen hatte. Wie es meinem Violinenspiel erging. Aber eigentlich wollte ich, dass er redete. Die Sachen die ich von ihm über die Zauberschule erfuhr, beeindruckten mich. Es war ganz anders, als die Dinge, die ich bereits gelesen hatte, oder über die Vater und Mutter geredet hatten. Am liebsten wäre ich sofort mit ihm in den Hogwartsexpress gestiegen, um all die Gänge zu erkunden, um neue Menschen kennenzulernen. Andererseits hatte ich natürlich auch Angst davor. Was, wenn ich die falschen Entscheidungen treffen würde? Falsche Entscheidungen bedeuteten in diesem Falle natürlich, Dinge zu machen, die unseren Eltern nicht gefielen. Ich behielt meine Begeisterung also für mich. Damals habe ich angefangen, meine Gefühle aus Selbstschutz vor anderen zu verbergen.
Wenn es nicht gerade Abend war, muss es für meinen Bruder eine ziemlich bedrückende Zeit gewesen sein. Während unsere Cousinen ab und an versuchten ein Gespräch mit mir zu beginnen - ich dann höflich abblockte und mich hinter meinen Büchern verschanzte, lag doch das Hauptaugenmerk unserer Eltern auf ihm. Dennoch verstrichen vor allem für mich die zwei Wochen rasant schnell, wohl weil ich wieder etwas Gesellschaft hatte. Viel zu bald wurde das Haus wieder still und leer. Und ich war mit meinen Büchern alleine, in die ich mich hineinvertiefte. Bücher waren wir meine besten Freunde geworden. Sie verurteilen mich nicht (oder zumindest nur ein bisschen), sie taten mir nicht weh, sie ließen mich nicht alleine.

Mein Geburtstag im Februar war ein ganz besonderer. Es war mein elfter. Gerade an diesem Tag fiel mir wieder auf, wie demonstrativ wir uns als Slytherins präsentierten. Meine Geburtstagsgeschenke waren nämlich ein Slytherinschal, ein dunkel geölter Besen mich silberner Gravur und ein silbernes Medaillon mit meinen eingravierten Initialen (hinten drauf war das Wappen unserer Familie, wohl damit ich mich erinnere, wohin ich gehöre). Das Innere des Schmuckstücks war leer, Vater erklärte mir, dass ich darin Gedanken aufbewahren konnte, wenn ich vor einem Test mal einen leeren Kopf brauchte. Natürlich hatte er bemerkt, wie fleißig ich schon jetzt lernte.
Am Nachmittag kam eine Eule von Sirius an, die mich persönlich eigentlich noch mehr freute, als die restlichen Geschenke. Es signalisierte so etwas wie „Ich denk an dich“ und brachte mir auch in den nächsten Monaten wieder genug Antrieb, wenn ich mich einsam und verlassen vorkam. Mutter kommentierte seinen kleinen Gruß mit einem abschätzigen „Etwas Besseres ist ihm also nicht eingefallen, aber was soll man auch erwarten.“, was mich dazu veranlasste, mein Geschenk sorgfältig zu verstecken.

Kreacher half mir dabei, einer unserer jüngeren Hauselfen. Und er versprach niemandem etwas davon zu sagen. Es war gar nicht so verwunderlich, dass ich mich mit Hauselfen einließ, immerhin hatte ich sie schon als kleines Kind geliebt und sie immer gut behandelt. Befehle kamen von mir immer in einem netten Ton, nicht mit dieser Schimpferei, die Mutter bevorzugte. Ich bekam oft den besten Teil eines Bratens serviert, den saftigsten Apfel, meine Kleidung war im Winter vorsichtig vor dem Kamin vorgewärmt, ehe ich aufwachte und nicht zuletzt erfuhr ich von den Elfen mehr über das Leben außerhalb des Hauses, als meine Eltern mir je erzählt hätten.
Mein neues Geheimversteck befand sich hinter meinem Bett. Rückte man es etwas vor, konnte man nun einen kleinen Riss in der Wand sehen, genau dort ließ sich eines der Bretter zur Seite schieben. Niemand kam je darauf! Hier bunkerte ich alles, was ich von Sirius hatte, um nichts anderes im Zimmer an meine Sympathie für ihn erinnern zu lassen. Während an diesem 11. Geburtstag nur die Glückwunschkarte, sowie ein paar Bertie Botts Bohnen gebunkert wurden, sollte sich das Fach in den nächsten Jahren noch weiter füllen und mich an schöne Zeit erinnern, in der noch alles in Ordnung war.
Als Sirius am Ende des Jahres zu uns zurückkam, hatte ich mich noch mehr von der Außenwelt abgekapselt, als in den Weihnachtsferien der Fall gewesen war. Es kam nur noch selten vor, dass ich abends bei ihm anklopfte. Stattdessen las ich in meinen Büchern, die nun schon eingekauft waren und lernte für die Schule. Ich wollte meine Eltern auf keinen Fall enttäuschen, dafür hatte ich viel zu viel Angst vor den Konsequenzen. Viel zu schnell waren diese letzten Wochen vor der Schule vorbei und ich hatte das Gefühl, bisher viel zu wenig Wissen in mich aufgenommen zu haben. Nicht genug zu sein.

GANZ AUFGEHEN IN DER FAMILIE HEISST GANZ UNTERZUGEHE
Die Überraschung des Tages war es, dass Mutter und Vater mir kurz vor der Abfahrt noch einen kleinen Eulenkäfig mit einem jungen Sperlingskauz darin überreichten. Ansonsten war mein erster Schultag vor allem mit dem Gefühl der Angst belegt. Blass und nervös, sogar ein wenig zittrig fuhr ich unaufhaltsam auf die Entscheidung zu, die mein ganzes Leben beeinflussen würde. Slytherin, oder nicht Slytherin? Sirius hatte sich sofort nach der Verabschiedung mit Freunden davon gemacht und ich teilte mir ein Abteil mit einigen Mädchen, die schon eifrig über den neuesten Tratsch debattierten. Es hätte genauso gut niemand bei mir im Abteil sitzen können, ich starrte ohnehin einfach aus dem Fenster. Es war meine erste Reise. Das erste Mal war ich außerhalb des Grimmauldplaces, ohne dass meine Eltern mich begleiteten. Ein ganz neuer Lebensabschnitt begann in eben diesem Augenblick! Ein Lebensabschnitt voller Stolperfallen. Ich musste wohl einige Zeit lang völlig verunsichert ein eindeutig Muggelstämmiges Mädchen im Abteil beobachtet haben, denn schließlich wurde ich von einer älteren Slytherin angesprochen, ob alles mit mir okay sei. Nach einem stummen Nicken wandte ich mich wieder der Aussicht zu.
In Zweierreihen wurden wir nach einer nasskalten Fahrt über den großen See in die Große Halle geführt. Wie jede meiner Emotionen sah man mir meine Verwunderung und Überraschung ob der Größe vermutlich nicht an, stattdessen legte sich ein ausdrucksloser Blick auf den Hut, der alles entscheiden würde. Dass das wenige Frühstück, das ich zu mir genommen hatte beinah nach den Worten „Black, Regulus!“ wieder hochkam, war Nebensache. Nach außen hin ging ein ruhiger gefasster, wenn auch blasser Junge auf den zeremoniellen Stuhl zu und setzte sich, als sei das alles hier das Verständlichste der Welt. Kleine Dinge, wie meine etwas zittrigen Hände, hatte ich damals noch nicht unter Kontrolle. Bitte, bitte Slytherin... Dieser stumme Wunsch nach stressfreien Ferien wurde mir erst nach etwas über einer halben Minute erfüllt. Der sprechende Hut schwankte nämlich stark zwischen dem Schlangenhaus und Ravenclaw hin und her. Hätte mich eigentlich gern in das andere Haus geschickt. Sicher, ich beschäftigte mich viel mit Büchern und so ganz auf den Kopf gefallen war ich auch nicht. Dagegen fehlte es mir etwas an Ehrgeiz etwas Größeres zu werden, aber ich konnte durchaus listig sein… was wieder zu meinem etwas nachdenklichen Sein passte. Zu meiner Erleichterung wurde mit einem lauten „SLYTHERIN!“ verkündet, dass ich in mein Wunschhaus durfte. Ich wagte es noch nicht einmal, meinen Blick gen Gryffindortisch zu richten, wo sicherlich Sirius mit seinen Freunden saß. Stattdessen wahrte ich meine äußerliche Gelassenheit und schritt ruhig auf den Slytherintisch zu, der mich mit begeisterten Klatschen in Empfang nahm. Wohin hätte ich denn auch sonst eingeteilt werden sollen?

Meine kleine Eule, die ich liebevoll „Siri“ getauft hatte, machte sich noch an diesem Abend auf den Weg nach Hause, die frohe Botschaft ans Bein gebunden. Natürlich verriet ich niemanden den Namen des kleinen Tieres, sondern nannte den Vogel einfach „Kauz“ wenn andere in der Nähe waren. Ich hatte das ungute Gefühl, dass es nicht so gut für mich wäre, würde irgendjemand meine stille Bewunderung für meinen Bruder mitbekommen. Dieser scherte sich nämlich nicht um die Meinung unserer Eltern, sondern hatte einfach seinen Spaß und genoss seine Zeit an Hogwarts, zumindest stellte ich mir das so einfach vor! Ab und an sah ich ihn draußen auf den Ländereien, wo auch ich mich gerne herumtrieb, allerdings wahrte ich immer Abstand und kam ihm damit nicht in die Quere. Ich wollte dieses Glück nicht stören, denn in Slytherin gab es keine rebellische Ablenkung und das war wohl auch gut so. So konnte ich mich auf mein Studium konzentrieren und ich gab mir größte Mühe, meinen Eltern zu gefallen, auch wenn ich der Jüngere war. Ich war ein sehr strebsamer Schüler, lernte viel suchte dafür keine Freunde und galt schon relativ bald als Einzelgänger, auch wenn ich nie richtig ein Außenseiter war. Wenn es etwas zu feiern gab, akzeptierte man mich in der Runde, auch wenn ich meistens nur still beobachtete. Manche hielten mich dabei vermutlich für geheimnisvoll, dabei wollte ich einfach nichts Falsches sagen. Hatte zu viel Angst davor alles zu ruinieren, schlechte Nachrichten nach Hause zu tragen. Dabei durfte ich nicht in Ungnade fallen und bei Salazar... ich würde so viel aus Hogwarts zu berichten haben, dass sie einfach keine Zeit haben würden wütend auf Sirius zu sein?

Wenn ich nicht gerade lernte, im Unterricht saß, oder im Slug Club verweilte, in den ich schon bald eingeladen worden war, trieb ich mich sehr viel draußen herum, testete ab und an die Grenzen meines Besens aus, den ich zum Geburtstag bekommen hatte. Einsam in der Luft zu fliegen war wirklich das Schönste, das ich in dieser Zeit genoss. Vor allem tat die Kulisse des Sees und des Schlosses ihr Übriges dazu. Das Fliegen hatte ich schon zuhause gelernt, es lag mir im Blut, wie Vater verkündet hatte. Ziemlich selten konnte es auch passieren, dass ich Sirius traf. Unter vier Augen. Es war mir unangenehm mit ihm gesehen zu werden und so war es wohl auch umgekehrt der Fall. In diesen kleinen Momenten platzte ich innerlich fast vor Glück, dass mein großer Bruder sich trotz allem mit mir abgab und noch immer mit mir redete. Diese Begeisterung drang wohl immer seltener nach außen durch, meine selbstauferlegte Gefühlssperre verselbstständigte sich. Ich glaube, dass Sirius denkt ich würde ihn hassen. Weil es mir nicht mehr möglich ist meine Deckung fallen zu lassen, mich ihm zu öffnen. Dabei... dabei hatte ich damit doch überhaupt nur angefangen, damit sie nicht dachten er würde mich verziehen! Damit sie jemand anderen hatten, der ihnen Ablenkung sein konnte.

In den Weihnachtsferien ging es wieder nach Hause. Heuer fiel es mir sehr auf, dass vor allem ich mit Geschenken bedacht wurde. Ich hatte nun eindeutig den Platz des kleinen Lieblings eingenommen, doch irgendwie stimmte mich das nicht wirklich glücklich, eher ein wenig traurig. Ich persönlich fand Sirius toll. Bewundernswert. Er traute sich so viel mehr als ich und ich hätte gerne so viel Mut gehabt wie er. Gern hätte ich mich gegen alle Grenzen gestemmt und ich hätte gern einfach so mit jedem geredet, der mir über den Weg lief. Aber ich war nun mal nicht sonderlich mutig und musste das so hinnehmen. Ich war nicht so gut wie er. Auch wenn ich nun in der Gunst unserer Eltern vor Sirius lag, so wurde mir doch klar gemacht, dass er am Ende doch der qualitativ bessere war. Stärker. Dominanter. Durchsetzungsfähig. Ich verstand nicht, dass wir gegeneinander ausgespielt wurden. Indem man mich ihm vorhielt, das gehorsame Vorbild und ihn gleichsam zu meinem machte. Eigentlich wollten sie nicht mich. Sie wollten ihn, nur in gezähmt.

Während Sirius möglichst schnell wieder in Richtung Zug abgeschoben wurde, behielt Vater mich noch kurz zurück und drückte mir ein Buch in die Hand mit dem vielsagendem Titel Aufstieg und Untergang der magischen Mächte des römischen Reiches in die Hand. Dazu gab er mir den ausdrücklichen Befehl, mich damit bis zu den Sommerferien zu beschäftigen. Als ich den gar nicht mal so dicken Schinken im Zug öffnete bemerkte ich, dass es ein falscher Einband war. Vater hatte mir ein Buch über schwarzmagische Duellierzauber mitgegeben. Erwartete er, dass ich mich mit anderen raufte?
Allerdings tat ich das, was ich immer tat. Ich beugte mich dem Willen meiner Eltern und lernte nun neben meinen Schulsachen auch noch Zauber, die ich eigentlich gar nicht können sollte. Praktisch austesten tat ich sie viel, allerdings nicht an lebenden Dingen. Ich war Tierlieb, mochte Hauselfen und wollte mir keinen Stress mit Mitschülern aufhalsen. Am Ende des ersten Schuljahres gehörte ich zu den Jahrgangsbesten, hatte jede Menge dunkle Zauber gelernt und hatte haargenau 0 Freunde, mit denen ich mich in den Sommerferien treffen wollte. Die Bekanntschaften, die ich zwangsläufig geschlossen hatte, sah ich nicht als Freundschaften an. Dafür hatte ich meinen Bruder zu viel beobachtet, zu viel gesehen was Freundschaft für ihn bedeutete. Das war nicht das Gleiche wie jene Verbindungen, die sich mir öffneten. Es würde also ein langer Sommer werden, in dem ich viel lernen würde. Aus etwas anderem bestand mein Leben eigentlich nicht mehr, wobei ich mich selbstverständlich absolut zuverlässig um „Siri“ kümmerte, welcher sich zu einem kräftigen, aber auch durchaus frechen Kauz entwickelt hatte.
Neu für mich in diesen Ferien war, dass Vater mich oft unvermittelt nach Zaubersprüchen aus seinem Buch fragte, die ich ihm sofort nennen musste, mitsamt ihrer Wirkung und Anwendungsweise.. wusste ich einmal nicht weiter, erntete ich einen bösen Blick und er wandte sich schon fast so etwas wie enttäuscht von mir ab. Immerhin verfluchte er mich nicht dafür.

Es ist unglaublich, wie eintönig die Jahre an einem vorbeiziehen können. Bis zu meinem fünften Schuljahr war es so. Im Grunde war es immer das Gleiche wie im ersten Schuljahr, mit leichten Abwandlungen des Lernstoffes, des Wetters... ich ließ es einfach an mir vorübergehen, ohne wirklich Notiz von den Menschen rund um mich herum zu nehmen. Die einzige Abwandlung meines Lebens war nun das Quidditchtraining. Am Anfang meines vierten Schuljahres bewarb ich mich zu den jährlichen Auswahlspielen, nachdem Vater angemerkt hatte, dass das Schlammblutpack auch davon noch Besitz ergreifen würde und ich merkte, dass er gerade äußerst schlecht auf Sirius zu sprechen war. Es lenkte ihn ab. Es klappte!
Und ich war tatsächlich wohl einigermaßen talentiert, denn ich wurde in diesem Schuljahr 1975 ins Team aufgenommen. Man konnte sich darauf verlassen, dass ich auf die Minute pünktlich zum Training erschien, meine Aufgaben ernst nahm und mir taktische Spielzüge gut einprägen konnte. Allerdings haperte es ein wenig mit der Teamarbeit... aber auf meiner Position war das eher zweitrangig.


AM ABGRUND
Bis zu meinem fünften Schuljahr lief alles nach dem gleichen Schema ab. Ich lernte, übte, bekam dafür gute Noten und verschaffte mir damit angenehme Ferien, in denen ich nicht allzu viel gerügt wurde und das Recht erwirkte Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, was ich geschickt einsetzte wenn es eng für meinen Bruder wurde. Doch von Ferien zu Ferien wurden unsere Eltern strenger, vor allem Sirius betreffend. Ich vermute, dass sie sein Verhalten als eine Phase angesehen hatten, die er hinter sich zu lassen hatte. Aber es war keine Phase, das wusste ich. Sirius war ein Rebell und lebte das voll aus, schämte sich nicht so zu sein wie er war. Unsere Eltern erniedrigten ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Ich traute mich nicht irgendetwas dazu zu sagen, sondern zog mich noch mehr zurück… wie hätte ich auch gegen sie ankommen sollen? Meinen Frust, meine Trauer ließ ich statt in Streitgespräche ins Violinenspiel und auf meinen Zeichenblock aus. Ich überlegte zwar, ob ich Sirius nachts besuchen sollte, um ihn zu trösten – aber wie sollte man bitte seinen großen Bruder trösten? Nicht zu schweigen davon, dass er das vermutlich noch nicht einmal wollte! Ich verbrachte also die meiste Zeit in meinem Zimmer, las, schrieb Tagebuch, betrachtete nachdenklich die Glückwunschkarte zu meinem elften Geburtstag. Draußen das Geschrei meiner Mutter. Wenn sie eines hatte, dann ein lautes Stimmorgan. Und die Wörter Blutsverräter und Schlammblutsympathisant hallten auch noch in der Nacht in meinem Kopf wieder.
Diesmal war ich wirklich froh, wieder zurück in die Schule zu können. Meine Hoffnungen, alte Gespräche mit Sirius wieder aufnehmen zu können, erwiesen sich aber als vergeblich. So richtig wütend hatte er am Morgen den Grimmauldplace verlassen und mich keines Blickes gewürdigt. Still war ich ihm zusammen mit Siri gefolgt, der sich auf meiner Schulter drapiert hatte. Den Service, das Gepäck optimal gepackt bekommen zu haben, zusammen mit etwas Verpflegung für die Fahrt, genoss mal wieder nur ich, Kreacher sei dank.
Dass Sirius tatsächlich weg weg war - so richtig - realisierte ich erst ein paar Wochen später. Da hatte ich aber schon den Grimm in meiner morgendlichen Teetasse gesehen und eine Mitschülerin quer über den Haustisch mit dem Inhalt meines Mundes bespuckt. Ich entschuldigte mich zwar gefühlt tausendmal dafür, aber den Grimm wurde ich nicht mehr los.

Er wurde mein täglicher Begleiter. Ich konnte keinen Tee mehr trinken ohne ihn zu sehen. Mein persönliches Tarot-Set, das mit Sternzeichen und ja, auch dem Grimm, ausgestattet war zeigte mir vor allem... den Grimm. Ich sah ihn Kristallkugeln, ich konnte der Lebenslinie meiner Hand quasi beim schrumpfen zusehen!
Und Weihnachten... an Weihnachten starb Siri.
Wo unser Training in den Ferien bisher stets aus theoretischen Abfragen bestanden hatte, bestand Vater nun auf die Praxis. Die ich nicht beherrschte. Ich hatte noch nie, noch NIE jemanden ein Leid zugefügt und in diesen Ferien lernte ich kennen was Leid tatsächlich bedeutete. Ich lernte es kennen, bis irgendetwas in mir brach und ich diese verdammten Flüche auf Kreacher los ließ. Keine dunklen. Aber es braucht keine schwarze Magie, um jemanden leiden zu lassen. Salazar... ich hatte gelernt nicht zu weinen, aber in dieser Nacht heulte ich mir die Augen aus, während ich Kreacher im Arm wiegte und ihm immer wieder versprach, dass ich das nie, nie nie wieder tun würde. Ich würde nie wieder dafür verantwortlich sein, dass er Schmerzen litt.
Ich war noch nie gut genug gewesen. Nun war ich der Erbe des Hauses Black und als dieser ... war ich ein Versager. Vater wollte mich schleifen wie einen rohen Diamanten, mit mehr Druck in die Form pressen, in der er mich haben wollte. Aber ich hielt mein Versprechen. Keine Flüche mehr.