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Geschrieben von Alexander Mulciber - 30.10.2021, 19:42 |
Als Mulciber sr. und seine Frau Limalia in Kenntnis darüber waren, dass der ersehnte Erbe anstehe, konnte die Freude nicht größer sein. Zwar war Mulciber sr. schon immer ein eher verhaltener Zeitgenosse mit strikter Vorstellung seines Lebens, aber in genau jenes passte zu diesem Zeitpunkt perfekt der stattliche Erbe mit dem er würde prahlen können. Das Schicksal ließ sich bis zum letzten Moment Zeit damit seine Überraschung preiszugeben, dass alles etwas anders kommen sollte als erwartet. Ein schweres Gewitter tobte über dem alten, viktorianischen Anwesen, das seit Jahrhunderten im Besitz der Familie Mulciber steht und schon vielen Reinblütern ein zu Hause bot. Die traditionsreiche Familie, streng in ihrem Patriarch, hieß das neuste Mitglied mit einem zuckenden Blitz willkommen, als es knautschig, schreiend und ein wenig bläulich auf das Laken purzelte. Im ersten Augenblick überwog nichts als die Freude, als die Hebamme der Mutter das Bündel in Form eines kräftigen Jungen überreichte und Mulciber sr., bald platzend vor Stolz, machte sofort kehrt um es der Welt zu erzählen. Erst als der Hebamme am nächsten, immer noch verregneten Tag auffiel, dass der Bengel mit stattlichem Geburtsgewicht in seltsamer Haltung lag als sie in wickeln wollte, riet sie der Familie dazu einen Arzt hinzuzuziehen. Natürlich wurde dafür der hauseigene Heiler konsultiert, kein muggelstämmiger Scharlatan ohne großartiges Wissen, aber es bedurfte keiner großen Kunst um zu erkennen, dass dieses Kind schlichtweg an einer Anomalie seines Bewegungsapparats litt und das linke Bein nicht gewillt schien eine Bewegung auszuführen, die vom Knie abwärts in irgendeiner Form elastisch wirkte. Es war steif, während das andere Bein üblich eines Säuglings in angewinkelter Froschstellung zappelte und somit nur einer der speckigen Schenkel in rhythmischen Bewegungen zuckte. Man könne es mit regelmäßiger Dehnung, Schienen und Operationen versuchen, womöglich sei es aber auch eine unglückliche Verwachsung von Becken und Hüfte, die die Reizimpulse des Knies unterdrückten. Jeder nur erdenkliche Zauber, nach dem in jedem aufzutreibendem Buch gesucht wurde, wurde auch angewandt, aber vergebens…nach höchstens vorübergehender Besserung, verschlechterte sich der Zustand jedes mal erneut. Die Erinnerung seiner Mutter an den Abend seines zweiten Lebenstages kennt er zum Glück nicht und so musste er nie mit ansehen, wie sein Vater mit angewidertem Blick vor der Wöchnerin stand, die ihr Kind an der Brust stillte und voller Liebe betrachtete. Er musste auch nicht hören, wie sein Vater leise zischte „Wir sollten den Krüppel im Bach hinter dem Haus ertränken!“, was Limalia stumme Tränen über die Wangen laufen ließ. Sie hatten so lange auf diesen Erben gewartet und innerlich wusste sie bereits, dass er auch der einzige bleiben würde, alleine schon um ihn zu schützen. „Ich will das nicht!“, schrie das Kind. Tobend zerrte er am Griff seines Vaters, der wie ein Schraubstock um sein Handgelenk geschlungen war. So oder so ähnlich lief jeder klägliche Versuch ab Alexander dazu zu bewegen die Tortur des Animagus-Zaubers über sich ergehen zu lassen. Eine Seherin aus den Kreisen des dunklen Lords hatte Alex eine gewichtige Rolle an der Seite des dunklen Zauberers prophezeit, in der sie ihn als im wahrsten Sinne „auferstandener“ Animagus in einer ihrer Visionen gesehen haben will. Etliche Versuche scheiterten oder wurden von dem Jungen boykottiert, der viel zu jung für diese Prozedur gewesen war. Der eiserne Wille des Vaters aber saß ihm stets im Nacken und lediglich die Zeit, die er im Jahr in Hogwarts verbrachte, verschaffte Alex über Jahre Ruhe vor dem Unausweichlichen. Vielleicht hatte der Tag erst kommen müssen, an dem Alex zum wiederholten Mal von seinem Besen fiel, auch wenn er strengstes Verbot seitens seines Vaters und damit auch der Schulleitung hatte das Fliegen zu üben. Dazugehörigkeit ist das was jeder junge Mensch anstrebt, selbst ein Mulciber…selbst einer, der die Fassade aufrecht hielt, dass ihm sein Handicap nichts anhaben könne. An diesem Tag bröckelte die Fassade, deren Risse er notdürftig mit hämischer Freude, fieser Fratze und Gemeinheiten, die er an Schlammblütern auslebte, gekittet hatte. „Der Krüppel“, es war mehr ein leises Raunen, denn ins Gesicht wagte ihm dies keiner zu sagen, aber er konnte es hören…so laut und deutlich, als habe man ihm die Worte ins Ohr geschrien. Die restlichen Wochen des 4. Schuljahres verbrachte er zurückgezogen und mit seinen eigenen, mentalen Vorbereitungen auf die Wandlung des Animagus. Der Ehrgeiz war geweckt und vermutlich brauchte es genau diesen von seiner Seite aus, damit der Zauber schließlich nach etlichen Versuchen endlich gelang und seine Gestalt als Falke preisgab. Der leidenschaftliche Jäger in Menschengestalt wurde also zur Perfektion geführt und aus dem eingeschränkten jungen Mann, ein wendiges Tier. Die Ferien verbrachte er mit seinem Cousin Matthew und unermüdlichen Übungen zu seiner Wandlung, ehe ein wahrlich verändertet Mulciber zurück nach Hogwarts kehrte. Die neu gewonnene Selbstsicherheit, verdüsterte seine Schattenseiten nur umso mehr und mit zunehmendem Alter und wachsender Persönlichkeit, entwickelte sich der Albtraum so manches Schlammbluts. Aus einem Traum aufwachen und atemlos feststellen, dass es sich anfühlt als wäre all das was in der Zeit des Schlafes passierte real. Wir allen kennen das. Es gibt Träume, wo man sich am liebsten direkt wieder ins Kissen drücken möchte, die Augen krampfhaft geschlossen hält, aber der Schlaf kommt nicht zurück und selbst wenn, dann ist der Traum im wahrsten Sinne geplatzt. Dann ist man traurig darum, dass man nicht einfach wieder einschläft und weiss wie die Geschichte ausgeht...und dann gibt es Träume, da wacht man schweissnass auf und ist froh, dass nichts, nichtmal das kleinste Detail, real ist. Alex hat diesen Traum, dieser eine, immer mal wiederkehrende Traum. Es geht immer um das Gleiche, mal sind es exakt die selben Sequenzen, mal fehlen Teile. Alles beginnt mit der neuen Schülerin aus dem 6. Jahr. Warum sie jetzt erst erscheint, weiss er nicht, warum sie nach Gryffindor gehört, obwohl sie auf den ersten Blick eine verschreckte Maus ist, ebenso wenig, aber ihr Mut liegt an anderer Stelle, das weiss er. Sie ist ein Schlammblut, unwürdig und minderwertig, nichtmal sonderlich klug, wie er findet. Sie ist winzig, vorwitzig und lacht nervig laut an den unpassendsten Stellen. Ihre Mitschüler lieben sie, Alex hasst sie. In anderen Sequenzen sitzt er als Falke an ihrem Fenster und beobachtet sie im Schlaf oder beim Quidditch von einem der Türme aus. Am liebsten würde sich der Falke auf die kleine Maus stürzen, sie mit den Krallen packen und dem messerscharfen Schnabel zerfleischen. Stattdessen wechselt die Traumsequenz jedes Mal zu ihren wunderschönen Lippen und einem Alexander, der wie ein Ertrinkender nach rettender Luft suchend auf diese blickt. Still für sich, nennt er sie „die Verzauberte“. Jedes Mal endet der Traum damit, dass er sich selbst, einige Jahre später an der Seite des dunklen Lords sieht. Inzwischen erwachsen und gemäß seines Wunsches nach ein Todesser, steht er umringt von Gleichartigen und in der Mitte „die Verzauberte“. Der tödliche Fluch aus Alex´ Mund schickt sie ins Nirgendwo, der dunkle Zauberer lacht schadenfroh und die Runde stimmt ein. Dann wacht Alexander auf. |